Festgottesdienst mit Tischabendmahl in der Stiftskirche.
Bretten. Wo sind nur die vielen Stühle geblieben? Das Kirchschiff ist wie leergeräumt, sodass sich die Frage den Besuchern geradezu aufdrängt. Stattdessen befindet sich in der Mitte eine lange Tafel in Kreuzform. Wer nun aber ein üppiges Bankett erwartet, wird enttäuscht: An Gründonnerstag gibt es wie üblich nur Wein, Saft und Brot.
Immer mehr Gäste verteilen sich um die Tische, bis eine ältere Dame amüsiert feststellt: „Vielleicht sollten wir etwas aufrücken, sonst sitzt der Pfarrer ganz alleine am Kopfende.“ Etwas abseits wartet bereits die Taizé-Musikergruppe. Schließlich setzen die Instrumente ein und der Gottesdienst beginnt. „Eine besinnliche Atmosphäre war uns sehr wichtig. Darum haben wir auch auf die große Orgel verzichtet“, erklärt Pfarrer Dietrich Becker-Hinrichs, der an diesem Abend nicht die Kanzel erklimmt sondern Geige spielt. Die Redeparts übernimmt Pfarrer Gunter Hauser. Das Tischabendmahl vor Karfreitag zählt zu den besonderen Festgottesdiensten des Jahres.
Im Zentrum steht die Erinnerung an das letzte Abendmahl von Jesus mit seinen Jüngern. Pfarrer Hauser überlegt, was die einzelnen Apostel wohl in diesem Moment bewegte: „Auf die Ankündigung des Leidensweges saßen alle mit gemischten Gefühlen am Tisch. Und was tat Jesus? Er verteilte Brot und Wein.“ Jesus bezog sich damit ebenfalls auf eine Tradition: Das jüdische Passahmahl, das an den Auszug der Israeliten aus Ägypten erinnert.
Die andächtige Stimmung lebt nicht nur von den Erzählungen sondern dem Spiel der vielfältigen Instrumente. „Die Taizé-Musikergruppe spielt immer zur Passions- und Osterzeit“, erklärt Becker-Hinrichs. Den meisten Besuchern sind die meditativen Gesänge bereits vertraut: Die Gemeinde singt mehrstimmig. Andere lauschen einfach nur oder genießen den durchdringenden Bariton-Gesang Dieter Schweigels.
„An Gründonnerstag ist der einzige Gottesdienst vor dem wir komplett umstuhlen“, meint Becker-Hinrichs über die veränderte Sitzanordnung. Die mobile Bestuhlung ab 1997 habe dies erst ermöglicht. „Entsprechend lange gibt es bei uns die Tischabendmahl-Tradition. Mit festen Kirchbänken wäre das kaum denkbar gewesen.“ Tatsächlich ist es auch der einzige Gottesdienst im Jahr, in dem sich die Besucher gegenseitig in die Augen blicken. Das Gemeinschaftsgefühl scheint umso spürbarer. Brotlaib und Wein werden gereicht, während draußen die Sonne untergeht. „Auch wir sitzen alle mit unseren kleinen Leidensgeschichten am Tisch“, zieht Hauser den Vergleich zum ursprünglichen Abendmahl. Im Unterschied dazu, ist es für die Gemeinde glücklicherweise kein Henkersmahl vor einer Kreuzigung. Stattdessen ermöglicht die Tradition ein kurzes Innehalten im österlichen Trubel. Die kleinen Gesten verdeutlichen, dass man mit seinen Sorgen nicht alleine ist.
Und wie es sich nach dem Essen gehört, wird auch gemeinsam wieder abgeräumt: Zahlreiche Helfer kutschieren die Stühle zurück an ihre angestammten Plätze. Hier haben sie sich also die ganze Zeit über versteckt! Beinahe Schade, die Kirche wieder so zu befüllen. Die besinnliche Tisch-Zusammenkunft hatte doch etwas für sich.
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