Wenn man das Schicksal herausfordert, sollte man nicht dem Luxus hinterhertrauern. Das gehört nun mal zu dieser Reiseform dazu – man konnte an einem Tag leben wie ein König und am andere… nun ja. Am Frühstückstisch erzählte mir Dimi von Steinkreisen, die sich in dem angrenzenden Nationalpark befanden: „Wenn du möchtest, können wir heute mit den Rädern hinfahren?“
Es war also mein zweiter Tag auf der Grünen Insel und ich saß bereits auf einem altersschwachen Drahtesel und radelte mit einem Tschechen an meiner Seite in den Nationalpark. Hatte ich vergessen, den Regen zu erwähnen? Man kann es nicht oft genug wiederholen… Am Ufer eines kleinen Sees stieg Dimi plötzlich ab, reckte die Arme gen Himmel und vollführte eine Art mystisches Ritual mit seinen Händen. „Gegen den Regen“, erklärte er mir beiläufig, glitt dann aber wieder in seinen Meditationsrhythmus. Ich stand sprachlos daneben, zog meinen Regenmantel enger und sah zu, wie der Regen unsere Sättel durchtränkte. Nichts gegen fremde Kulturen, aber es erschien mir in jenem Augenblick doch recht leichtsinnig zu glauben über lautes monotones Summen und Armgefuchtel den Aggregatszustand der Wassermassen mehrere Kilometer über unseren Köpfen beeinflussen zu können. Er vollführte das Ganze übrigens noch an zwei weiteren Stellen und schließlich oben auf dem Hügel zwischen den Monolithen. Zugegeben, der Steinkreis war recht klein und bestand nur aus fünf Hinkelsteinen, trotzdem ergriff mich doch so etwas wie Ehrfurcht. Ich berührte die moosüberzogene Oberfläche und stellte mir vor, wie die Felsen wohl vor tausenden von Jahren von den Druiden hier heraufgeschafft wurden.
Rings um uns herum wurde die Landschaft von grauem Nebelmeer verschluckt. Dimi versorgte ein paar seiner Steine – platzierte sie neben ihre mächtigen uralten Artgenossen, damit sie die Energie der Erdströme aufnehmen konnten. Dann murmelte er etwas vom kleinen Volk – wie so häufig wusste ich nicht, ob er sich damit einen Scherz erlaubte oder tatsächlich an die Feengeschichten glaubte. Der Mann blieb mir ein Rätsel als er sich wieder breitbeinig hinstellte (diesmal im Zentrum des Steinkreises) und erneut mit offenen Armen dem Regen ins Gesicht lachte. Es reizte mich sehr, das ganze fotografisch festzuhalten. Das würde mir ansonsten sowieso keiner glauben. Er blickte flüchtig zu mir rüber und ertappt tat ich so, als würde ich seine Armbewegungen imitieren. „Das ist ziemlich beeindruckend“, heuchelte ich und dann: „Kann man das lernen?“ Strahlend winkte er mich zu sich und gebot mir alles, was er tat, nachzumachen. Verflucht, was war mir da nur herausgerutscht? Er sprach von Chakren und Energiefelder, erläuterte mir Punkte und Bewegungen. Wir beugten uns also gemeinsam vor und schöpften unsichtbare Energie, die wir an unserer Brust entlangführten, um sie anschließend dem Regen entgegenzuschleudern.
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